Schon rund 10 Kilometer vor der iranisch-pakistanischen Grenze sind wir vom Militär gestoppt, und an den Übergang geleitet worden. Wie so oft hatten wir ein unglaublichen Dusel. Durch die späte Abfahrt in Bam, sind wir kurz vor 16.00 Uhr der Schließung der Grenze, angekommen. Die iranischen Zollbeamten traten gerade die Treppe aus ihrem Gebäude runter als wir mit dem Militär angefahren kamen. Sie nicken freundlich, ob sie das auch so meinten bleibt fraglich, und gingen wieder rein um unsere Papiere fertig zu machen. Das dauerte alles seine Zeit und so wurde auch auf der pakistanischen Seite, die uns ja zusahen, schon langsam Ungeduld bemerkbar. Sie winkten mich mit dem Moped rüber und fragen nach meinen Papieren. Als ich Ihnen zu verstehen gab, dass noch alles bei den Iranern liegt, begannen sie aus meinem Personalausweis die Daten aufzuschreiben. Es dauerte und dauerte und der Boss schaute ständig aus seinem kleinen Fenster der Holzbude und fragte erneut: „Carnet, Passport“? Ich wiederholte immer wieder mein Schulter zucken und deutete mit dem Finger zu den Iranern rüber. Jochen war im Iran ich schon in Pakistan. Am Ende war aber alles nach 1,5 Stunden erledigt und wir bei Sonnenuntergang auf dem Weg in unser Nachtlager der Levies in Taftan, das direkt hinter der Grenze lag.
Die Levies sind eine dem Militär untergeordnete Truppe, die für Touristen den Geleitschutz durch Belutschistan im Grenzgebiet zu Afganistan organisieren.
Die komplette Route führt von Taftan über Dalbandin nach Quetta und von da weiter bis nach Sukkur.
Diese Männer riskieren mit jeder Eskort-Fahrt ihr Leben. Auf der gesamten Strecke, die sich über 1100 Kilometer zieht, wurden an Kontrollpunkten unsere Pässe gesichtet, man trägt sich in Logbücher ein und schüttelt jedem freundlich die Hand. Die ganze Prozedur ist sehr entspannt und die Begleiter, die ständig gewechselt werden, sehr hilfbereit. Auch Militär und Polizeikontrollen sind immer wieder zu passierend und auch da gilt. Pass, Logbuch,Händeschütteln sowie Tee trinken. Auch wird man immer wieder gefragt: „can I make a Selfie with you Mister?“ Was man natürlich gerne macht.
Wir begannen unsere Fahrt durch Belutschistan mit der ersten Übernachtung im Hof der Levies Truppe in Taftan. Das Büro des Chef, welches uns zugeteilt wurde, war einfach zu heiß. Am Morgen ging es los zur ersten Etappe nach Dalbandin. Dieser Ort liegt mitten in der Wüste und erreicht im Sommer nicht selten Temperaturen von über 50 grad im Schatten. Anscheinend der heißeste Ort in Pakistan. Auch wir, obwohl kein Hochsommer mehr war, wurden auf unseren Mopeds regelrecht gebraten. Die Straßen sind in dem Bereich des Landes teilweise so verheerend, das nicht mehr als 20 km/h möglich waren. Doch die Landschaft darum ist atemberaubend. Sehr karg und doch beeindruckend. Und immer wieder sehe ich Menschen, und frage mich was die hier draußen machen. Hier ist für mein Auge kaum leben zu sehen. Einmal sehe ich eine Frau mit einem Mädchen in dieser Ödnis Richtung Straße laufen. Alles um sie herum flimmerte als würden sie auf einem Spiegel schreiten. Das bizarre war, sie trug auf ihrem Kopf ein Riesen Bündel mit großen dunkelgrünen Blätter. Ich fiel fast von meinem Roller da ich mein Kopf in jede Richtung ruckartig bewegte um irgendetwas grünes zu finden. Doch da war nur Staub, Sand und Fels.
Die Nacht in Dalbandin verbrachten wir im Hotel, welches von den Levies und einem extra abgestellten Polizisten gesichert wurde. Abends wurden wir noch von 3 Soldaten besucht. Man spürte sofort dass das Militär hier die Oberhand hat. Wir wurden gefragt ob alles ok ist, ob wir uns sicher fühlen, ob wir was benötigen. Wir durften die Unterkünfte ja in keinem Ort verlassen, aber es wurde für alles gesorgt. Essen und trinken könnte man bestellen, und unterhalten wurde man von den netten, wissbegierigen Angestellten, die viele Fragen zu Deutschland hatten. Auch mit anderen Gästen ergaben sich interessante Gespräche.
In meinem Fall mit einem UN Angestellten, der mit zwei Kollegen die Mangelernährung der Region untersucht. Obwohl er selbst aus Quetta kommt, durfte auch er und seine Kollegen nicht ohne Geleitschutz fahren. Auch daran sieht man die Ernsthaftigkeit der Situation in dem Gebiet.
Ich habe mich zwar in keinem Moment bedroht oder gefährdet gefühlt, was auch an der immensen Präsens der Sicherheitskräfte aus drei verschiedenen Bereichen lag, doch es wäre gelogen zu schreiben es war alles easy. Gerade auch diese Präsens und dies „eingesperrt“ sein, lässt eine enorme Anspannung aufkommen. Stromausfälle sind hier nix besonderes, doch wenn es schlagartig dunkel wird, du im dunklen Zimmer sitzt und keiner spricht, sind alle Sinne auf Alarmstellung und die Nerven zum zerreißen gespannt.
Am Tag dagegen, auf der Straße, ist alles viel entspannter. Mit was für einer Freundlich- und Herzlichkeit einem die Menschen hier entgegenkommen ist überwältigend. Mir fehlen oft die Worte das zu beschreiben was ich hier erlebt habe.
Von Dalbardin ging es dann nach Quetta. Zur Zeit wohl einer der gefährlichen Städte für Ausländer was man auch daran bemerk, das kaum welche hier sind. Im Moment unseres Aufenthalts waren wir insgesamt 6 Ausländer in der Millionen Stadt. Der Hotelmanager sprach von 20-25 Touristen täglich die noch vor Jahren sein Haus ansteuerten. Heute ist es im Schnitt nicht mal einer pro Tag. Da wir in Quetta zwei Nächte bleiben mussten, um ein Dokument für die Weiterreise zu beantragen, blieb Zeit für alles möglich. Also Moped fixen, schreiben, lesen und viel reden mit den Leuten vom Hotel anderen Gästen. Auch hier war es natürlich nicht möglich außerhalb des Hotelkomplexes zu gehen, was zum einen verständlich ist, zum andern aber auch schade, da es mir daher kaum möglich war brauchbare Fotos von den Orten aufzunehmen.
Es ging weiter mit den Eskorten Richtung Sukkur. Langsam entfernten wir uns der „gefährlichen Zone“. Auch dieser Tag war von den Stopps an den Häuschen geprägt. Das wechseln der Eskorten, war teilweise wie beim Staffellauf. Wir wurden von den Autos, manchmal auch von den Motorrad Eskorten, im fahren übergeben. Das Eintragen wurde gegen Ende immer weniger dafür die Wechsel immer häufiger. Rund 10 Kilometer vor Sukkur, es war schon Stock dunkel, sagte der Polizei Chef. „You free, go-go-go“ mit einer Handbewegung Richtung Sukkur. ??
Ich war froh endlich wieder alleine fahren zu können. Es ist schon sehr anstrengend über diese Distanz ständig jemandem zu folgen.
Ein Riesen Dank auf jeden Fall an die Levies-Truppen sowie der Polizei und Militär die diesen ganzen Aufwand betreiben, und das alles für uns umsonst!
Ob die Stadt Quetta und die Region Belutschistan wirklich so gefährlich sind, mag und kann ich nicht bezweifeln. Dafür sind andere Leute zuständig.
Doch eines möchte ich dazu sagen können. Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, denen ich begegnet bin, waren wie du und ich.
Die Freundlichkeit die diese Menschen in dieser extrem armen Region mir entgegengebracht haben ist bewundernswert. Diese offene spontane Hilfsbereitschaft, auch in anderen teilen Pakistans, findet man bei uns nicht an jeder Ecke. Hier schon.
Der Reichtum eines Menschen liegt nie im Portmonee.
Bernd Brockhoff 23.10.2016 Multan, Pakistan